Hochtour
in den Walliser Alpen 18.- 22.07.2025
Die Walliser Alpen zählen mit Recht zu den spektakulärsten Panoramen, die der gesamte Alpenraum zu bieten hat. Unzählige 4000er Gipfel von „leicht“ bis „extrem schwer“ reihen sich aneinander. Im Val d’Anniviers liegt die kleine Ortschaft Zinal, eingerahmt von namhaften Westalpengipfeln wie Zinalrothorn, Obergabelhorn, Weisshorn und nicht zuletzt dem Dent Blanche. Allesamt stattliche 4000er mit dem Weisshorn (4505 m) als höchste Erhebung.
Das Bishorn mit seinen immerhin 4153 m steht daher ein wenig im Schatten des benachbarten Riesen, gilt aber trotzdem als eigenständiger Gipfel. Der Anstieg von der Tracuit Hütte ist einer der leichtesten auf einen 4000er und wird daher von sehr vielen Alpinisten als „Erster“ angegangen.
Allein schon die Hütte selbst und vor allem die spektakuläre Lage dieser, ist eine Reise ins Wallis wert. Wie ein Adlerhorst thront der 2013 neu errichtete Bergsteigerstützpunkt in einer Höhe von 3256 m über dem Tal mit einem unbeschreiblichen Panorama.
Wir sind eine 6-köpfige Hochtourentruppe mit dem Ziel, das Bishorn zu besteigen. Da die Anreise nach Zinal schon über 8 Std. dauert und der Hüttenzustieg nochmal 1600 Hm und 5 Std. in Anspruch nimmt, haben wir sinnvollerweise beschlossen, eine Zwischenübernachtung einzulegen.
Am Samstag erreichen wir dann nach nur 2 Std. Weiterfahrt entspannt den Parkplatz und können den Aufstieg beginnen. Leider setzt nach einer Stunde leichter Regen ein und wir müssen die entsprechende Ausrüstung anlegen. Trotz erschwerter Bedingungen erweist sich der Wanderweg als sehr schön und landschaftlich reizvoll. Je höher wir kommen, desto alpiner wird das Gelände. Bei Nässe kein einfaches Unternehmen. Die letzten Höhenmeter zur Hütte sind durch eine Kette gesichert, da es sich um eine nahezu senkrechte Kletterstelle handelt. Der schwere Hochtourenrucksack am Rücken lässt uns die Schwerkraft extrem spüren!! Nach exakt 5 Stunden erreichen wir die „Cabane du Tracuit“. Wir sind erstaunt, welchen Komfort uns diese Unterkunft in solch einer Höhe bietet.
Ursprünglich ist für den nächsten Tag eine Akklimatisationstour auf den Gipfel des „Tete du Milon“ (3693 m) geplant, um fit für den Aufstieg zum Bishorn zu sein. Doch der Wetterbericht macht uns einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Am Gipfeltag soll es regnen, schneien, stürmen bis um die Mittagszeit. Folglich bleibt uns nur die Flucht nach vorne - den Aufstieg schon am Folgetag machen, ohne Akklimatisation.
Frühstück gibt es um 04:30 Uhr, Aufbruch ist eine Stunde später. Jetzt dämmert es auch schon leicht und wir brauchen keine Stirnlampen mehr. Nach nur 20 Minuten stehen wir am Einstieg des Turtmann Gletscher. Bereits zuhause in Weißenburg haben wir uns für eine Sechser Seilschaft entschieden. Dadurch sind wir zwar langsamer, aber ein möglicher Spaltensturz sollte kein Problem darstellen. Und Spalten gibt es hier viele. Es liegt doch noch eine ganze Menge Schnee auf dem Eis. Zum jetzigen Zeitpunkt, ohne Sonneneinwirkung, kommen wir auf gefrorenem Untergrund gut voran. Zunächst geht es relativ flach, mit einigem kurzen Auf und Ab um den felsigen Nordost Sporn des Bishorn herum. Die Dimension des Gletschers wird erst jetzt deutlich. Das Flachstück ist länger als gedacht. Ab einer Höhe von 3500 m wird es merklich steiler und die Spur zieht nun ziemlich gerade in südwestlicher Richtung auf den Gipfel zu. Die Steigung erreicht teilweise 35 – 40%. Das ist zwar nicht allzu steil, aber wir merken jetzt die fehlende Höhenanpassung und werden dadurch langsamer. „Wow, heut geht’s zäh!“. Kein Wunder, waren wir doch nur 24 Stunden vorher noch 3200 m tiefer unterwegs.
Langsam kommt auch die Sonne über die Bergrücken zum Vorschein. Endlich wird es etwas wärmer!! Endlich?? Nein, leider!! Von nun an wird der Schnee relativ schnell weich und dadurch ist es um ein Vielfaches anstrengender zu gehen. Auch das noch! Schritt für Schritt stapfen wir nach oben. Mit jedem Meter fällt das Gehen und Atmen schwerer, bis wir schließlich, auf einer Höhe von 3900 m, Rast machen. Es ist bereits 08:45 Uhr und die Sonne leistet ganze Arbeit. Bis zum Gipfel sind es noch 250 Höhenmeter. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Bei dem Tempo brauchen wir sicherlich noch eineinhalb Stunden bis ganz oben. Das ist eindeutig zu lange! Der Gedanke, die Seilschaft aufzuteilen, wird schnell verworfen, da dieses Gelände viele Spalten verbirgt und ein seilfreies Gehen undenkbar ist. Etwas enttäuscht, aber dennoch überzeugt, die einzig richtige Entscheidung zu treffen, kehren wir um. Es geht zwar die gleiche Spur zurück, aber diese ist mittlerweile komplett anders. Die Sonne hat alles völlig aufgeweicht und kein Tritt ist mehr gefroren. So kämpfen wir uns die 600 Hm hinunter zum Anseilpunkt am Beginn des Gletschers. Kurz später stehen wir wieder auf der Hüttenterrasse und legen unsere nassen Sachen zum Trocknen in die Sonne, solange sie noch scheint. Für den Nachmittag sind Regen und Gewitter angesagt. Jetzt haben wir uns einen Kaffee oder etwas ähnliches verdient. War doch eine sehr schöne und beeindruckende Tour, auch ohne Gipfel.
Nun haben wir den ganzen Nachmittag Zeit. Einige beschäftigen sich mit herausfordernden Spielangeboten der Hütte (Escape Puzzle), andere nutzen die freie Zeit, um doch noch ein wenig spazieren zu gehen, da das Wetter überraschenderweise bis zum Abend aushält. An dieser Stelle muss die kulinarische Qualität der Tracuit erwähnt werden. Für eine alpine Schutzhütte in über 3200 m Höhe ein echter Genuss!! Preislich ist uns allen klar, dass wir in der Schweiz sind. Allerdings ist der Betrag von 11€ für eine 1,5l Wasserflasche dann doch völlig utopisch und daneben!!
Am Montag hält der Wetterbericht sein Versprechen und alle Bergsteiger (bis auf ein paar einzelne lebensmüde) bleiben vorsorglich in der warmen Stube. Draußen ist alles leicht weiß überzuckert. Es schneit, stürmt, graupelt, regnet und die Sicht ist teilweise gleich Null. Durch das Panoramafenster können wir beobachten, dass die Schneeflocken von unten nach oben „fallen“. Nein, wir haben nicht zu viel getrunken und auch nichts Verbotenes eingenommen😊!
Erst gegen 11:00 Uhr lassen die Niederschläge nach und es wird freundlicher. Ok, los geht‘!
Wir packen unsere Sachen und machen uns auf die Suche nach einer geeigneten Gletscherspalte, um reelle Bedingungen für die Spaltenbergung vorzufinden. Unterwegs zum „Tete du Milon“ werden wir auch relativ schnell fündig. Zu Beginn steigen wir auf Blankeis bis in etwa 3400 m Höhe. Durch die aperen Verhältnisse sind die Spalten sehr schön zu erkennen. Eine davon gefällt uns besonders gut. Sie ist zwar schneebedeckt, aber das lässt sich mit einigen Tritten und Pickelschlägen schnell ändern. Vor uns öffnet sich eine etwa 1 m breite und 10 – 15 m tiefe (geschätzt) Gletscherspalte, die genügend Platz hat, um freiwillig einzusteigen.
Wir spannen also das Seil zwischen den Teilnehmern. Allerdings wird die ganze Sache noch zusätzlich mit einer Eisschraube im festen Blankeis hintersichert. Nach und nach „darf“ jeder von uns einmal in die Spalte und den Gestürzten spielen. Mittels Mannschaftszug wird dann der Verunglückte wieder geborgen. Dieses Szenario trainieren wir im Anschluss auch noch in der 3er Seilschaft. Hier ist natürlich deutlich mehr technischer Aufwand erforderlich, um den Gestürzten mittels Seilrolle und T-Anker/Eisschraube zu retten. Da das Wetter in den unterschiedlichsten Formen mitspielt, bekommen wir alle die sehr realen Verhältnisse zu spüren. Wärmende Sonnenstrahlen wechseln sich im Minutentakt mit eisigen, klirrend kalten Höhenwinden und dichtem Nebel ab. So wird uns schnell deutlich, wie rasch man hier auskühlen kann, vor allem wenn Kleidung und Handschuhe vom Schnee und Eis bereits nass sind.
Tief beeindruckt von der Schönheit einer Gletscherspalte und sehr zufrieden vom Lernerfolg kehren wir zur wärmenden Hütte zurück. Alle sind einer Meinung – freiwillig ist es ein echtes Erlebnis, in so einer Spalte, aber ungeplant möchte das niemand erleben!!
Der vierte Tag ist auch leider schon der Abstiegstag. Wir frühstücken ausgiebig und genießen das Panorama der Hütte. Die Wolken scheinen es gut mit uns zu meinen und geben so langsam die Sicht komplett frei. Zum Abschied dürfen wir sogar Fernsicht bis zum Mont Blanc bestaunen. Als ob die Bergwelt hier im Wallis nicht schon spektakulär genug wäre!! So fällt der Aufbruch zum Abstieg doch ein bisschen schwerer, wenngleich auch unsere alpinen Eindrücke von hier mehr als beeindruckend sind.
In ca. 3,5 Std. bewältigen wir die 1600 Hm ins Tal nach Zinal bei nun deutlich besserem Wetter. Ein tatsächlich langer, aber wunderschöner Wandersteig.
Gesund und sehr zufrieden erreichen wir den (kostenlosen!!) Parkplatz. Ein sehr schönes und lehrreiches Hochtourenwochenende neigt sich dem Ende und wir fahren zurück in die Heimat.
Mein ganz persönlicher Dank gilt allen Teilnehmern, die diese Tour wieder mal zu einem sehr tollen Erlebnis gemacht haben. Besonderer Dank an Andi und Barbara für’s fahren. Die Anreise ins Wallis ist halt doch sehr lang.
Ganz nach dem Motto – nach der Tour ist vor der Tour – freue ich mich schon auf nächstes Jahr, wo immer es auch hingehen mag!!
Euer Ralf
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Aufbruch in Zinal
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Das Val d'Anniviers
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Alpiner Steig
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Letzte Steilstufe im Regen
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12er Zimmer
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Bishorn, Weisshorn und Tete du Milon (v.ln.r.)
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Cabane de Tracuit 3256 m
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Die Hüttenumgebung erkunden
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Was für eine Stimmung
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Zinalrothorn, Obergabelhorn und Dent Blanche in der Morgendämmerung
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Noch ist die Spur hart gefroren
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Herrliche Morgenstimmung
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Die Sonne kommt
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Auf 3900 m entscheiden wir umzukehren
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Abstieg im weichen Nassschnee
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Blick zurück zum Aufstieg
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Hüttenkreuz
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Bei dem Wetter geht niemand raus
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Hütten Leitsatz
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Anseilen zur Spaltensuche
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Spalte gefunden - hier geht's rein
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Holt mich hier raus!!
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Schon spannend - so eine Gletscherspalte
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Hallo da oben!
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Alle legen sich ins Zeug zum Mannschaftszug
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Bei Sonnenschein macht's richtig Spaß
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Aufnahme 11_53 Uhr
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Gleiche Perspektive um 11_54 Uhr
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Panorama bis zum Mont Blanc (re. hinten)
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Beim Abstieg
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Tolle Truppe